Bleichers Philosophie des Gewerkschaftstums entstand zu Beginn seiner Karriere als Metallarbeiter in den 1920er Jahren, und er blieb seinen Überzeugungen während seiner gesamten Karriere als Gewerkschaftsführer treu. Er war davon überzeugt, daß die Gewerkschaften in einer klassenbasierten Gesellschaft agieren müssen, die durch eine inhärente Antithese zwischen Kapital und Arbeit definiert ist, die von Natur aus unüberbrückbar ist. Den Begriff der “Sozialpartnerschaft” wies er als irreführend zurück. Er hielt auch jede Zusammenarbeit mit der Regierung für schädlich. 1952 erklärte er auf dem zweiten Gewerkschaftsbundkongress in Berlin, die Aufgabe der Gewerkschaften müsse der Kampf gegen “die Auswirkungen dieser [kapitalistischen] Wirtschaftsordnung auf die gesellschaftspolitische Ebene” sein … “Durch die Reform der Arbeitsbedingungen, um das Leben für uns erträglicher zu machen [und] um uns einen gerechteren Anteil an der gesellschaftlichen Produktion zu sichern, indem alle verfügbaren gewerkschaftlichen Instrumente und Methoden verwendet werden.” Mit anderen Worten, für Bleicher bestand die Hauptaufgabe der Gewerkschaften darin, den täglichen Interessen der Arbeitnehmer zu dienen. In diesem Zusammenhang waren die individuellen politischen und philosophischen Überzeugungen des einzelnen Gewerkschaftsfunktionärs – solange er wirksam war – im Allgemeinen wenig besorgniserregend. [10] Bleichers erste ernsthafte Konfrontation mit den Arbeitgebern kam 1962. Dies folgte einer Forderung der Metallindustrie-Arbeitgeber Ende 1961, dass Die Lohnverhandlungen mit der IG Metall bundesweit stattfinden sollten. Der Forderung war die Kündigung aller bestehenden Tarifverträge beigefügt. Die gewerkschaftliche Vereinigung Nordwürttemberg/Nordbaden reagierte nun mit der Forderung nach einer allgemeinen Lohnerhöhung von 10 Prozent und einer Erhöhung des jährlichen Urlaubsgeldes um sechs Tage.
Gleichzeitig setzte Bleicher in einer Reihe von Hauptversammlungen an Gewerkschaftsfunktionären, Unterstützern und der Mitgliedschaft im Allgemeinen, um Unterstützung für eine mögliche industrielle Konfrontation zu gewinnen. Am 2. März wurde eine Abstimmung durchgeführt, in der der Einsatz “aller der Gewerkschaft zur Verfügung stehenden Mittel” zur Unterstützung der bevorstehenden Tarifverhandlungen befürwortet wurde. Erst in letzter Minute wurde mit dem Eingreifen der baden-württembergischen Landesregierung Streiks und Aussperrungen vermieden. Der erzielte Kompromiss sah eine Lohnerhöhung von 6 % und eine Erhöhung des jährlichen Urlaubsgeldes um drei Tage vor. Die meisten zeitgenössischen Beobachter sahen darin einen Sieg für die Union. Gleichzeitig wurden die Bedingungen des Abkommens, das im Volksmund als “Stuttgarter Modell” bezeichnet wird, im ganzen Land kopiert und angenommen. [11] 1946 identifizierte er in der sowjetischen Besatzungszone “einige noch verbliebene Gewerkschaftsfürsten”, die aber nicht vor der Erkenntnis sprachen, dass die im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) tätigen “Gewerkschaftsfürsten” (FDGB), die sich zur ostdeutschen Version eines nationalen Gewerkschaftsbundes entwickeln sollten, seiner eigenen Vorstellung von Gewerkschaftsfürsten diametral entgegengesetzt waren.
Inwieweit die sowjetische Besatzungszone nach dem Krieg nach 1949 zu einem völlig anderen Staat als dem der drei deutschen Besatzungszonen im Westen werden sollte, wurde 1946 nicht allgemein verstanden. Nach der Wiederbelebung der Sowjetzone im Oktober 1949, als die sowjetisch geförderte Deutsche Demokratische Republik (DDR), hielt Bleicher seine Einschätzung in einer Rede vor dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) von 1952 und prangerte den ostdeutschen Staat als stalinistische Diktatur an, die sich als “Volksdemokratie” tarnte. Nichts davon hinderte ihn daran, im Herzen ein Mann der Linken zu bleiben. Marx und Lenin blieben die Grundlage seines politischen Denkens. Als er 1954 der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands/SPD beitrat, war das mit ziemlicher Sicherheit ein taktischer Schachzug.